Studienleitfaden
Übersicht
I. Wozu Finanzwissenschaft?
II. Angebot im Bachelorstudium
III. Angebot im Masterstudium
IV. Promotionsstudium
I. Wozu Finanzwissenschaft ?
Im Fach Finanzwissenschaft, englisch Public Finance, befassen wir uns mit der Bereitstellung und Finanzierung von Leistungen, die durch die öffentliche Hand bereitgestellt werden, und darüberhinaus mit der Ausgestaltung des öffentlichen Sektors. Diese Ausrichtung impliziert bereits die Einsicht, dass eine völlig dezentrale Wirtschaftsordnung ohne Eingriffe des Staates und ohne kollektive Einrichtungen nicht zu Ergebnissen führt, die für die Allgemeinheit erstrebenswert sind. Vielmehr beobachten wir in den meisten Ländern insbesondere in den entwickelten Ländern, dass die öffentliche Hand in erheblichem Umfang Mittel beansprucht und Bürgern und Unternehmen vielfältige Leistungen bereitstellt. Zugleich aber wird bei der volkwirtschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rolle des Staates und anderer kollektiver Einrichtungen berücksichtigt, dass die öffentlichen Entscheidungträger mitunter eigene Interessen verfolgen, die nicht dem Allgemeinwohl dienen. Aus diesem Grunde befasst sich die Finanzwissenschaft auch mit der Ausgestaltung des öffentlichen Sektors und mit den politischen Entscheidungsprozessen.
Die Finanzwissenschaft ist ein traditionelles Gebiet der Volkswirtschaftslehre, das in Deutschland auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Aus dieser Tradition heraus ist verständlich, dass der Begriff der Finanzwissenschaft nach heutigem Verständnis zu weit gefasst ist. Angesprochen sind nämlich in erster Linie die Finanzen des Staates. Zentraler Untersuchungsgegenstand der Finanzwissenschaft sind zunächst normative Fragen, also Fragen danach, wie etwas sein sollte. In welchen Bereichen sollte die öffentliche Hand tätig werden? Mit welchen Instrumenten sollen Eingriffe erfolgen? Wie sollen etwaige Finanzierungserfordernisse bewältigt werden? Zugleich werden auch viele positive Fragestellungen untersucht, also Fragen nach dem, was ist: Wie wirken verschiedene Finanzierungsinstrumente, z.B. Steuern? Was treibt öffentliche Entscheidungen? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Globalisierung für die nationale Finanzpolitik?
So ist die Finanzwissenschaft hochaktuell. Sie liefert wie keine andere volkswirtschaftliche Teildisziplin ein methodisches Fundament, um objektiv zu beurteilen, wo und unter welchen Prämissen staatliche Eingriffe sinnvoll sind, und welche Konsequenzen staatliche Eingriffe nach sich ziehen. Dabei bewahrt sie zugleich eine kritische Distanz sowohl zu marktradikalen Ideologien als auch zu einer naiven Staatsgläubigkeit.
II. Angebot im Bachelorstudium
(i) Den Einstieg in die Finanzwissenschaft bietet die Vorlesung Wirtschaft und Staat:
Gegenstand der Vorlesung ist die Auseinandersetzung mit der Staatstätigkeit in der Marktwirtschaft.
Teil I der Vorlesung behandelt die normative Theorie der Staatstätigkeit. Zunächst wird das Referenzmodell einer perfekten Wettbewerbswirtschaft eingeführt. Auf dieser Grundlage werden dann zentrale Fehlentwicklungen der Marktwirtschaft berücksichtigt wie Wettbewerbsverzerrungen, das Fehlen öffentliche Güter, externe Effekte, unvollständige Märkte, Informationsprobleme und Marktrigiditäten. Wir diskutieren ob und wie staatliche Eingriffe geeignet sind, solche Fehlentwicklungen zu korrigieren. Schließlich setzen wir uns mit der Problematik der Gerechtigkeit und der Ungleichheit und den Implikationen für die Staatstätigkeit auseinander.
Teil II der Vorlesung behandelt die positive Theorie der Staatstätigkeit. Der öffentliche Willensbildungsprozesswird unter Berücksichtigung seiner Auswirkungen auf Größe und Zusammensetzung des staatlichen Budgets analysiert. Anschließend wird die Umsetzung kollektiver Entscheidungen mittels staatlicher Bürokratie und alternativer Organisationsformen untersucht. Besondere Bedeutung wird der aus individuellen Interessen gespeisten Einflussnahme auf Gesetzgebung und Verwaltungshandeln (Lobbyismus, Rent-Seeking) beigemessen.
Termin: jeweils im Wintersemester
(ii) Darauf aufbauend konzentriert sich dann die Vorlesung Ökonomie des öffentlichen Sektors auf die staatlichen Einnahmen. Sie ist Teil des Vertiefungsbereichs VWL:
Die Vorlesung befasst sich mit der Finanzierung des öffentlichen Sektors. Der erste Teil widmet sich der Finanzierung durch Steuern. Eine Einführung vermittelt Grundbegriffe bevor die Aufkommens-, Effizienz-, und Verteilungswirkungen wesentlicher Steuern diskutiert werden. Im nächsten Schritt werden Grundzüge eines optimalen Steuersystems erläutert. Schließlich werden die Möglichkeiten und Grenzen der Implementierung eines rationalen und effizienten Steuersystems aufgezeigt.
Der zweite Teil der Vorlesung befasst sich mit der Finanzierung durch öffentliche Verschuldung. Es werden zunächst Funktionen der öffentlichen Verschuldung diskutiert und die Mehrperiodenbetrachtung des Staatshaushaltes eingeführt. Auf dieser Grundlage erfolgt dann eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Staatsverschuldung für die Konjunktur- und Wachstumspolitik und mit der Problematik der Nachhaltigkeit. Abschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit und den Möglichkeiten einer Begrenzung der öffentlichen Verschuldung.
Termin: jeweils im Sommersemester
(iii) Einblicke in die aktuelle finanzpolitische Diskussion bietet das Pro-Seminar zur Finanzwissenschaft:
Wechselnde Inhalte aus der aktuellen finanzpolitischen Diskussion. Die Themenvergabe findet aufgrund aktueller Themenlisten nach Präferenz statt.
Termin: jeweils im Sommersemester
(iv) Bachelorarbeiten:
Voraussetzung sind die finanzwissenschaftlichen Basisveranstaltung (i) und (ii) sowie das Pro-Seminar zur Finanzwissenschaft (iii). Themen werden im Hinblick auf Studienschwerpunkte und Berufswunsch individuell ausgewählt.
III. Angebot im Masterstudium
Im Master konzentrieren sich die Angebote auf die Thematik der Besteuerung. Alle wesentlichen Steuerarten beeinflussen und verzerren die Entscheidungssituation der betroffenen Haushalte und Unternehmen. Dies gilt in besonderer Weise für die Besteuerung des Faktoreinsatzes im Rahmen der Einkommensbesteuerung. Hier steht zum einen die Besteuerung des Arbeitseinkommens und des Verbrauchs im Zentrum des Interesse, weil befürchtet werden muss, dass Haushalte ihr Arbeitsangebot einschränken und in die Schattenwirtschaft ausweichen. Zum anderen wird intensiv über die Kapitaleinkommensbesteuerung und insbesondere über die Unternehmensbesteuerung gestritten, weil sich Konsequenzen für die Investitionstätigkeit ergeben. Zu beiden Themengebieten liegt eine umfangreiche Literatur vor, welche die theoretischen Wirkungen diskutiert und sich mit der empirischen Relevanz befasst. Im Rahmen des Vorlesungszyklus Theorie und Empirie der Besteuerung werden beide Themenkomplexe eingehend analysiert.
(i) Makroökonomik – Wachstum:
Die Vorlesung beschäftigt sich mit der Entwicklung der Wirtschaft über die Zeit, insbesondere mit dem Wirtschaftswachstum. In einem ersten Schritt betrachten wir den Umgang mit der Dynamik in der traditionellen Makroökonomik. Anschließend wird ein dynamischer Modellrahmen entwickelt in dem Haushalte, Unternehmen und Staat die erwartete zukünftige Situation und deren in ihrer Entscheidung berücksichtigen. Dieser Modellrahmen wird für verschiedene Szenarien ausgewertet. So wird auf den Fall unbegrenzter Planungszeiträume ebenso eingegangen wie auf überlappende Generationen und auf die Rolle von Unsicherheit. Auch erfolgt eine Auseinandersetzung mit den empirischen Implikationen für das Verhalten von Firmen und Haushalten. Die Diskussion der empirischen Implikationen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung mündet dann in eine Auseinandersetzung mit den Determinanten des Wachstums und der Rolle von Innovationen.
Termin: jeweils im Wintersemester
(ii) Besteuerung und Arbeitsangebot:
Die Vorlesung befasst sich mit den Wirkungen der Besteuerung auf die Entscheidungen der privaten Haushalte aus theoretischer Sicht und diskutiert Ansätze für die empirische Überprüfung der theoretischen Voraussagen. Zunächst wird auf die Wirkung der Besteuerung von Arbeitseinkommen auf das Arbeitsangebot eingegangen. Im Zentrum steht dabei die Anreizwirkung auf die Partizipation im Arbeitsmarkt, die Arbeitszeit und die Schattenwirtschaft. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Interaktion von Besteuerung und Transfereinkommen beispielsweise im Rahmen der Sozialhilfe. Anschließend werden die Parallelen zur Verbrauchsbesteuerung diskutiert und die Wirkung der Verbrauchsteuern näher beleuchtet.
Termin: jeweils im Sommersemester
(iii) Kapitaleinkommensbesteuerung:
Die Vorlesung befasst sich mit den Wirkungen der Besteuerung auf die Entscheidungen von Unternehmen und Kapitalanlegern aus theoretischer Sicht und diskutiert Ansätze für die empirische Überprüfung der theoretischen Voraussagen. Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Konsequenzen der Zins-, Dividenden- und Gewinnbesteuerung im nationalen wie internationalen Kontext. Zunächst wird jeweils aufgezeigt, welche Konsequenzen und Anreizwirkungen sich aus theoretischer Sicht ergeben, anschließend werden zentrale empirische Studien der Steuerwirkungen vorgestellt und diskutiert.
Termin: jeweils im Wintersemester
(iv) Masterseminar (zusammen mit Prof. Rincke und Prof. Wrede)
Termin: jedes Semester
(v) Masterarbeit:
Themen werden im Hinblick auf Studienschwerpunkte und Berufswunsch individuell ausgewählt.
IV. Promotionsstudium
Basisangebot im Promotionsstudium ist der Vorlesungszyklus Theorie und Empirie der Besteuerung.
Wöchentlich findet das Master und Doktorandenseminar statt, in dem Projektideen und eigene Arbeitspapiere diskutiert und vorgetragen werden (zusammen mit Prof. Grimm, Prof. Rincke, Prof. Tauchmann und Prof. Wrede).
Darüberhinaus gibt es wechselnde Angebote durch Gastdozenten.